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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.01.2005
Aktenzeichen: 2Z BR 187/04
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 45
ZPO § 91a
ZPO § 263
ZPO § 533
1. Der Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses wird unzulässig, wenn ein Zweitbeschluss gefasst wird, dessen Regelungsgehalt zwar über den Erstbeschluss hinausgeht, diesen aber mit umfasst.

2. Die Beurteilung der Sachdienlichkeit einer Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren ist eine Ermessensentscheidung des Landgerichts und vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüfbar.


Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter am Obersten Landesgericht Lorbacher und Dr. Schmid sowie der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Deneke-Stoll am 12. Januar 2005 in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses und Abberufung des Verwalters,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 9. September 2004 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 22. Mai 2003 (Verwalterbestellung) als unzulässig abgewiesen wird.

II. Die Antragstellerin zu 1 trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.400 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage.

Die weitere Beteiligte wurde mit Beschluss der Wohnungseigentümer vom 22.5.2003 "gemäß bereits unterschriebenem Verwaltervertrag" zum Verwalter bestellt. Der Verwaltervertrag sah eine Bestellungsdauer bis 31.12.2004 vor.

Die weitere Beteiligte berief für den 20.11.2003 eine Eigentümerversammlung ein und setzte unter Tagesordnungspunkt (TOP) 7 Folgendes auf die Tagesordnung:

Beschluss über die Bestellungsdauer der Hausverwaltung. Der Notverwalter, Herr H., hat es in der Eigentümerversammlung vom 22.5.2003 in seiner Unkenntnis versäumt, die Verwalterbestellung zusammen mit der Bestellungsdauer zu beschließen.

Die weitere Beteiligte stellte den Beschlussantrag gemäß TOP 7 zur Bestellung der Hausverwaltung bis 31.12.2005. Dieser Antrag wurde mehrheitlich angenommen. Der Beschluss wurde nicht angefochten.

Die Antragsteller haben am 16.6.2003 beantragt, den in der Eigentümerversammlung vom 22.5.2003 gefassten Beschluss aufzuheben. Diesen Antrag hat das Amtsgericht am 16.12.2003 abgewiesen. Hiergegen haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller zu 2 hat die Beschwerde zurückgenommen. Die Antragstellerin zu 1 hat im Beschwerdeverfahren den Hilfsantrag gestellt, die weitere Beteiligte aus wichtigem Grund abzuberufen. Die Antragsgegner haben der Antragserweiterung nicht zugestimmt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 9.9.2004 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und den Hilfsantrag verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin zu 1.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist im Ergebnis nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Es könne dahinstehen, ob durch den Eigentümerbeschluss vom 20.11.2003 das Rechtsschutzbedürfnis für das Beschlussanfechtungsverfahren entfallen sei. Der Beschlussanfechtungsantrag sei aus Sachgründen zurückzuweisen. Im Beschlussanfechtungsverfahren könnten nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vorgelegen hätten. Diese reichten weder für sich allein noch in ihrer Gesamtheit aus, um den Beschluss über die Verwalterbestellung für ungültig zu erklären.

Die Zulassung des Hilfsantrags sei nicht sachdienlich. Das Beschwerdegericht müsste sich mit den nach dem Bestellungszeitpunkt liegenden, von der Antragstellerin behaupteten Pflichtverletzungen der Verwalterin befassen. Damit würde im Ergebnis ein völlig neuer Streitstoff eingeführt.

2. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Der Beschlussanfechtungsantrag ist bereits in erster Instanz unzulässig geworden, da Erledigung der Hauptsache eingetreten ist durch den nicht angefochtenen Eigentümerbeschluss vom 20.11.2003, mit der die weitere Beteiligte erneut und für eine längere Dauer zur Verwalterin bestellt wurde. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Beschlussanfechtungsantrag entfällt, wenn ein inhaltsgleicher Zweitbeschluss Bestandskraft erlangt hat (vgl. z.B. Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. vor §§ 43 ff. Rn. 48).

Hier ist zwar der Beschluss vom 20.11.2003 nicht völlig inhaltsgleich mit dem Beschluss vom 22.5.2003, da die Verwalterbestellung für einen längeren Zeitraum erfolgt ist. Dies ist jedoch unerheblich, da der Beschluss vom 20.11.2003 auch den Zeitraum umfasst, für den die weitere Beteiligte bereits mit Beschluss vom 22.5.2003 zur Verwalterin bestellt wurde.

Der Senat hat die Eigentümerbeschlüsse vom 22.5. und 20.11.2003 selbständig auszulegen, weil die Verwalterbestellung auch für den Rechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers wirkt (BGH NJW 1998, 3713). Für den Senat besteht kein Zweifel daran, dass die weitere Beteiligte am 22.5.2003 zur Verwalterin bestellt wurde. Dies ergibt sich bereits aus der Überschrift des Tagesordnungspunkts "Beschlussfassung über die Neuwahl einer Hausverwaltung ab sofort" sowie aus der Beschlussformulierung "Die WEG bestellt die weitere Beteiligte gemäß bereits unterschriebenem Verwaltervertrag". Der Zusatz im TOP 7 der Eigentümerversammlung vom 20.11.2003, dass es der damalige Notverwalter in seiner Unkenntnis verabsäumt habe, die Verwalterbestellung beschließen zu lassen, ist angesichts der klaren und eindeutigen Feststellungen im Protokoll über die Eigentümerversammlung vom 22.5.2003 nicht nachvollziehbar.

Trotz dieses Hinweises besteht auch kein Zweifel daran, dass in der Eigentümerversammlung vom 20.11.2003 die weitere Beteiligte bis zum 31.12.2005 als Verwalterin bestellt wurde. Jede andere Auslegung würde sich in Widerspruch zu Wortlaut und Sinn des Beschlusses stellen.

Die Unzulässigkeit des Antrags wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bereits im Lauf des amtsgerichtlichen Verfahrens hat zur Folge, dass das Amtsgericht den Antrag hätte als unzulässig abweisen müssen. Die kann der Senat nunmehr nachholen.

b) Dass das Landgericht den Hilfsantrag verworfen hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die §§ 533, 263 ZPO sind im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit analog anzuwenden. Die Antragsgegner haben der Antragserweiterung nicht zugestimmt. Die Entscheidung des Gerichts über die Sachdienlichkeit ist eine Ermessensentscheidung. Eine solche kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Ermessensfehler überprüft werden (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 26. Aufl. § 263 Rn. 10). Die Entscheidung des Landgerichts weist keinen Ermessensfehler auf. Das Landgericht hat die maßgeblichen Tatsachen festgestellt und gewürdigt. Zwar ist der Verlust einer Tatsacheninstanz für sich allein kein Grund, die Sachdienlichkeit zu verneinen (BGH NJW 1992, 2296; Reichold in Thomas/Putzo § 533 Rn. 3/4). Das Landgericht hat diesen Umstand jedoch nur als einen Gesichtspunkt herangezogen. Es hat entscheidend darauf abgestellt, dass sich das Landgericht mit anderen Pflichtwidrigkeiten als den bisher zu berücksichtigenden hätte befassen müssen und dass damit ein völlig neuer Streitstoff eingeführt würde. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Bestellung des Verwalters stellt insofern eine Zäsur dar, als dieser Zeitpunkt entscheidend dafür ist, welche Pflichtverletzungen bei der Entscheidung über die Anfechtung der Bestellung zu berücksichtigen sind. Das lässt einen Ermessensfehler nicht erkennen.

3. Es entspricht der Billigkeit, die in allen Instanzen erfolglose Antragstellerin zu 1 mit den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu belasten (§ 47 WEG).

Die in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen getroffene Geschäftswertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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